Chirotherapie und Manuelle Medizin ("Einrenken")

... sind alte und bewährte Behandlungsmethoden. Schon Hippokrates beschrieb, dass man blockierte Wirbel "zurechtrücken müsse".

In der Chirotherapie oder Manuellen Medizin werden reversible Funktionsstörungen der Wirbelsäule bzw. "blockierte" Gelenke mit der Hand oder durch Handgriffe („Chiros“: Hand) behandelt.

Werden „blockierte“ Wirbelgelenke festgestellt, so ist die sinnvollste und wirksamste Methode, diese Beschwerdeursache durch eine manuell geführte, natürliche Bewegung zu beseitigen. Eingeschränkt bewegliche Gelenke können entweder mobilisierend oder manipulativ behandelt werden. Beim „Mobilisieren“ versucht man die Bewegungseinschränkung durch sanfte und häufig wiederholte Dehnungsbewegungen zu lösen. Außerdem kann man durch bewusstes Anspannen und Entspannen unter ärztlicher Anleitung mit oder ohne Dehnung durch den Behandler die  "postisometrische Relaxation" nutzen.  
Die „Manipulation“ kann hingegen oft durch einen sehr schnellen Handgriff mit kurzer Bewegung und wenig Kraft zu einer sofort einsetzenden und vollständigeren Wiederherstellung der Beweglichkeit führen.  Das oft hörbare ,,knackende" Geräusch gehört zur Behandlung, ist aber für den Erfolg der Behandlung nicht zwingend notwendig.

Nach unseren heutigen Erkenntnissen muss allerdings die mechanistische Vorstellung von „ausgerenkten“ Gelenken einem neuen „nozizeptiven“ Gedankenmodell weichen, bei dem man von einer reflektorischen Störung der "Nocizeptoren"–Empfängerorgane ausgeht, die durch die Behandlung ein „Reset“ erfahren. Treten bei der Einstellung des zu behandelnden Abschnitts der Wirbelsäule oder bei einer Probemobilisation eine Schmerzverstärkung oder vegetative Reaktionen (z.B. Schwindel) auf, dann verzichtet man auf die Manipulation.

Leider bestehen oft noch Vorurteile und falsche Vorstellungen von der Chirotherapie. Dabei wird meist übersehen, dass sich diese Methode inzwischen auch wissenschaftlich etabliert hat und von früher geübten Verfahren erheblich unterscheidet. Da die moderne Chirotherapie in den letzten Jahrzehnten erheblich verfeinert und optimiert wurde, gehört sie heute zu den schonendsten medizinischen Behandlungsmethoden.


Dr. med. Martin Böhringer Facharzt für Orthopädie - 91074 Herzogenaurach

Vorab Röntgen?

Vor einer chirotherapeutischen Manipulation an der Wirbelsäule sind Röntgenaufnahmen vorgeschrieben, um andere Ursachen (Knochenabszesse, Zysten, Tumore usw.) und damit verbundene Risiken oder Komplikationen auszuschließen.
Die damit verbundene "Strahlenbelastung" ist gering im Verhältnis zum Risiko einer ohne Röntgen übersehenen Erkrankung oder Verletzung.

So kam ein 25jähriger Sportler "schnell mal eben zum Einrenken", weil seine 2 Wochen bestehenden Schmerzen nicht besser wurden. Auf die Frage wo und warum antwortete er, dass er sich bei einem Fußballspiel den Nacken blockiert hat und seither verspannt sei. Die Frage, wie das geschehen ist,  beantwortete er mit "beim Rückwärtsköpfen". Ein weiteres Nachfragen, ob das alles war, ergab, er sei danach noch nach hinten gestürzt. Und dann? "Auf dem Hinterkopf aufgekommen!" Deshalb haben wir vorab geröntgt.
Im Röntgenbild war ein  Bruch des 7. Halswirbels leicht angedeutet, so dass ich stattdessen "schnell mal eben" ein CT veranlasste und ihn damit an die Universitätsklinik verwies. Er hatte sich noch mehr gebrochen.
Der ganze Fall wurde im Ärzteblatt und sogar im Stern vom 29.5.2024 in der Rubrik "Die Diagnose" publiziert.

Bei einem 74 jährigen Mann, den seine Ehefrau vorbeibrachte, damit ich ihn "nur mal schnell einrenken", ergab sich ein ganz anderer, interessanter Umstand seiner Rückenschmerzen, der für den Patienten allerdings statt mit Chirotherapie, mit einer erfolgreichen Behandlung auf der Intensivstation endete.
Diese Geschichte könne Sie genauer hier im Bay. Ärzteblatt nachlesen, wo sie sogar veröffentlicht wurde.



Halswirbelbruch nach Sturz beim Rückwärtsköpfen

Mögliche Risiken der Behandlung

Bei der manualmedizinischen/chirotherapeutischen Behandlung an Armen und Beinen können vorübergehend muskelkaterähnliche Beschwerden auftreten. Schwerwiegende Risiken sind derzeit nicht bekannt.

An der Wirbelsäule kann manchmal auch eine kurzzeitige Beschwerdeverstärkung durch Reizung der behandelten Gelenkkapsel auftreten und die vollständige Genesung auch einige Tage beanspruchen. Dann sollte man die Chirotherapie auch mit anderen z.B. infiltrativen, medikamentösen oder physikalischen Methoden, bevorzugt auch einer Wärmebehandlung, kombinieren.

Vor einer chirotherapeutischen Manipulation an der Wirbelsäule sind Röntgenaufnahmen notwendig, um andere Ursachen (Knochenabszesse, Zysten, Tumore usw.) und damit verbundene Risiken oder Komplikationen auszuschließen. Die damit verbundene "Strahlenbelastung" ist gering im Verhältnis zum Risiko einer ohne Röntgen übersehenen Erkrankung oder Verletzung.
Vor einem Jahr kam ein 25jähriger Fußballer "schnell zum Einrenken", weil seine 2 Wochen bestehenden Nackenschmerzen nicht besser wurden. Im Röntgenbild konnte ich eine HWK-7-Fraktur erahnen, so dass ich ihn stattdessen an die Universitätsklinik verwies.

Bei der Behandlung an der Wirbelsäule treten extrem selten schwerwiegende Komplikationen auf. Wird ein nicht erkennbarer Bandscheibenvorfall durch den gezielten manualmedizinischen Eingriff aktiviert, kann es zu Lähmungen, Funktionsstörungen und Schmerzen in Schultern, Beinen und Armen kommen.

Noch seltener ergeben sich Komplikationen mit den Arterien, die das Gehirn versorgen. Möglicherweise können sich z.B. vorbestehende Ablagerungen ("Plaques") aus der Gefäßwand von eher älteren Personen lösen und Hirngefäße verschließen  (Embolie), was zu schweren bleibenden Schädigungen des Hirnstamms führen kann. Dies erfolgt aber auch ohne jegliche Chirotherapie tagtäglich weltweit spontan bei einfachen Kopfbewegungen.
"Echte" Verletzungen der muskulären Innenwand der Arterien der Halswirbelsäule können extrem selten (in 1:400.000 bis 1:2 Millionen Fällen) Blutgerinnsel (Thrombose) bilden, die sich ebenso ablösen und -wie beschrieben- Blutgefäße verschließen können (Embolie).
Von den etwa 10.000 Ärzten, die pro Jahr ca. 14 Millionen Wirbelsäulenbehandlungen durchführen, hat nur ein verschwindend geringer Teil solche schwerwiegenden Komplikationen jemals selbst erlebt.
In den extrem seltenen Fällen, die überhaupt auftraten, ergab die nähere Prüfung, dass nicht erkennbare Vorschädigungen vorlagen, die auch ohne den Eingriff in absehbarer Zeit zu ähnlichen Schäden hätten führen können. Im Nachhinein hatte sich unter anderem gezeigt, dass die eigentlichen Ursachen z.B. neben vorbestehende Gefäßablagerungen ("Plaques") auch eine nicht erkannte Knochenmetastase oder eine Anomalie der Halsgefäße ("Vertebralisdissektion") waren. Diese können dann sowohl spontan aber auch zeitversetzt starke Kopf- und Nackenschmerzen, Lähmungen und einen Schlaganfall bedingen, was dann aber fälschlicherweise dem konsultierten Chirotherapeuten oder Osteopathen angelastet wird, der aber in diesem Fall gar nicht helfen kann.

Bestehen von Ihrer Seite Bedenken gegen „Einrenken“, dann informieren Sie uns bitte, damit wir Ihnen eine Alternative anbieten können.
Wir raten zur manualmedizinischen Therapie dann, wenn der zu erwartende Heilerfolg die extrem seltenen Risiken deutlich überwiegt.
Dr. med. Martin Böhringer Facharzt für Orthopädie - 91074 Herzogenaurach